Anlässlich des 75-jährigen Vereinsjubliäums im Jahr 2002 verfasste der Lippstädter Wilhelm Kröger für die Rubrik "Lippstädter Heimatblätter" in der heimischen Tageszeitung folgende Vereinschronik:
Das Mandolinen- und Gitarrenorchester wird
75
von Wilhelm Kröger
"Von der Gartenlaube zum Stadttheater"
Geschichte und Geschichten einer leisen Spielschar
Also sprach Vater Eickmeier:
"Euer Übungslokal, das sei
unsere Gartenlaube.
Nur nicht die Wirtshäuser! Die könnt ihr getrost meiden."
So
etwa sind sie überliefert, diese beinah historischen Worte. Aus Lippstädter
Sicht jedenfalls darf man sie so nennen. Denn sie ebneten den Weg für eine
schöne Erfolgsgeschichte. Eine musikalische. Sie begann im Jahre 1927. In eben
dieser Laube. Die stand in Eickmeiers Garten, tief im Süden Lippstadts, am Ende
der Westernkötter Straße. Und die, zu denen August Eickmeier diese Weg weisenden
Worte sprach, waren seine Söhne Heinrich, Hermann und Willi. Ihnen hatten sich
sechs Freunde zugesellt: Bernhard Höer, Rudolf Köhne, Bernhard und Klemens
Mertens, Heinrich Peters. Vom Letzten im Bunde, Schulte, ist der Vorname nicht
mehr bekannt. Sie alle kamen aus dem engeren Umfeld, gesellschaftlich wie
geografisch. Waren Kinder der – damals mehr noch als heute – so genannten kleinen
Leute. Das war kein Zufall. Auch keine Lippstädter Besonderheit. Vielmehr
entsprach es der "kulturhistorischen Großwetterlage". Im Milieu der Arbeiter und
Kleinbürger hatte sie nämlich ihren Nährboden – die Zupfmusik, eine besonders
anmutige Blüte auf dem weiten Feld der Volksmusik.
Der kulturhistorische Hintergrund
Sehr überzeugend ist das dargestellt von Matthias Henke in seinem "Das große Buch der Zupforchester". Gestatten wir uns einen Einblick: "Ob Berlin oder München, Stuttgart oder Ulm, nahezu alle Mandolinenorchester der ersten Stunde siedelten in kleinbürgerlichen oder proletarischen Schichten. Diese soziale Zuordnung erklärt denn auch, weshalb sich diese Liebhaberensembles in der Zeit kurz vor der Jahrhundertwende geradezu wuchernd verbreiteten. Denn weit mehr als bei den "hohen Ständen" hingen kulturelle Aktivitäten der kleinbürgerlich-proletarischen Klasse am Tropf wirtschaftlicher Prosperität und sozialer Bedingungen, die im Deutschland des ausgehenden Jahrhunderts allerdings relativ günstig waren." Nun gab es in Lippstadt nie ein Proletariat im engeren Wortsinn, und auch "aus grauer Städte Mauern", wie es die hymnische Begleitung dieser und späterer Zeit verhieß, brauchte man hier zu Lande nicht aufbrechen. Dennoch –
im Wesentlichen war der hiesige Nährboden der gleiche. In Lippstadt gedieh sie nur einige Jahre später, die Musik der Wandervögel. Im Zuge der Umwälzungen, die das Ende des Ersten Weltkrieges mit sich gebracht hatte. Die Wandervogel-Bewegung erhielt neuen Auftrieb und mit ihr die Musik der neuen Zeit.
"...nicht auf dem Saloninstrument Klavier"
Dieses neue Zeitgefühl muss es gewesen sein, aus dem heraus die "Neun von der Gartenlaube" ihr Vorhaben starteten. Mit fröhlichem Saitenklang wollten sie wohl auf Suche gehen nach der "blauen Blume", wenn die auch letztendlich eine andere Farbe erhielt. "Edelweiß" so nannten sie sich. Für den Anfang. Bis sich Ihnen im Jahre 1936 die Gruppe "Heidelust" anschloss.
Damit war das Mandolinenorchester Lippstadt geboren. Der Name sollte später noch
einmal erweitert werden. Die ersten Vorsitzenden des jungen Musikvereins waren
Heinrich Eickmeier und Rudolf Köhne. Heinrich Eickmeier war zugleich der erste
Dirigent. Niemand lebt mehr von den Gründern. Ein wenig von der Atmosphäre zu
Beginn kann aber noch Maria "Mimi" Eickmeier wiedergeben. Sie ist die Witwe von
Walter, dem jüngsten der Eickmeier-Brüder, der naturgemäß erst einige Jahre
später aktiv wurde. Auch sie ist, keine Frage, Mitglied des Vereins und noch
immer "irgendwie dabei" Vor allem an die schönen Feiern von damals erinnert sie
sich – und verrät damit etwas von dem Geist und dem Fluidum, das die Lippstädter
Zupfmusiker bis heute umgibt. Sie scheinen tatsächlich so etwas wie eine große
Familie zu sein, und sie bestätigen die kaum umstrittene Behauptung, dass die
Musik die Kunstform ist, die die Menschen am häufigsten und intensivsten
verbindet. Jedoch – Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. Getreu diesem
Motto wussten schon die Vereinsgründer ihren Musikdienst von der reinen
Geselligkeit zu trennen. Sie waren ja allesamt keine ausgebildeten Musiker.
Reine Autodidakten. Aber sie waren ehrgeizig. Wollten raus aus dem Geruch einer
Dilettantenschar. Um auf ihre Weise der herben Kritik eines Mannes aus der
eigenen Zunft zu begegnen, der geäußert hatte: "Die Zeiten des wilden
Wandervogelspielens, ohne Noten, ohne tieferen Sinn, werden bald vorbei sein,
die Tage der Prostitution unseres Instruments sind gezählt."
In Lippstadt gibt es schon im Jahre 1928 den ersten Mandolinen- und Lautenkursus. Und auch die Auftritte finden nicht mehr nur in der freien Natur statt. Schon werden Konzerte veranstaltet. Man ist sichtlich bemüht, musikalisch wie organisatorisch in die rechte Form zu kommen. Äußeres Zeichen dafür ist der Betritt zum Deutschen Mandolinen- und Gitarrenspielerbund. Natürlich stellt sich auch die Frage nach dem Repertoire. Antwort geben die alten Programme. Sie bestätigen in etwa das, was Matthias Henke in seinem Grund legenden Werk so beschreibt: "In Abkehr von spätromantischen Kunstliedern oder sentimentalen Salonschlagern neigten die musikbegeisterten Wandervögel zu einem Repertoire, bei dem die rhythmische Komponente im Vordergrund stand: Kommers- und Wanderlieder oder Landsknechtgesänge aus dem Dreißigjährigen Krieg, begleitet auf der unprätentiösen Gitarre beziehungsweise auf der Mandoline, nicht auf dem Saloninstrument Klavier, bildeten den Schwerpunkt ihrer musikalischen Betätigung". Und für derlei Betätigung gibt es vielfache Gelegenheit. Die Freizeit spielt sich noch nicht vor dem Fernseher ab, kaum am Radio, und die Jahre der poppigen Events sind längst noch nicht angebrochen. Stattdessen die Zeit der Massenaufmärsche.
Veränderungen
Über dieses Kapitel ist kaum etwas verzeichnet. Doch der
Gleichschaltung auf nahezu allen Gebieten werden sich auch die Lippstädter
Zupfmusiker nicht entzogen haben können. Immerhin – Raum für ideologiefreie
Musikdarbietung – martialische Töne waren und sind ohnehin nicht ihre Art – hat
es hier in der Provinz sicher gegeben. Davon zeugt unter anderem der Wettstreit
in Neheim, bei dem das Orchester einen dritten Platz erreicht. Im zweiten
Weltkrieg liegt das Musikleben weitgehend brach. Die meisten Orchestermitglieder
sind einberufen. Dennoch – es gibt zuweilen Urlaub. Und so treffen sie sich doch
noch, sporadisch. Im Förstershof, der für Jahrzehnte ihr Domizil bleiben wird.
Denn die gute alte Gartenlaube (sie hat übrigens an gleicher Stelle eine
Nachfolgerin gefunden), sie ist inzwischen wohl zu eng geworden. Im Vorstand hat
es – fusionsbedingt? – Veränderungen gegeben. Nach Heinrich Eickmeier und Rudolf Köhne
rückt 1936 Wilhelm Bachmann an die Spitze. Ihm folgt 1943 Karl Finke nach,
ein Spross der "Heidelust" Die gut sortierten Vereinsanalen belegen es. So
gänzlich still ist es um die Lippstädter Zupfmusiker auch in schwieriger Zeit
nie geworden. Eine Hochzeit für den Verein setzt schon bald nach dem Krieg ein.
Und was am Anfang die Gartenlaube gewesen, das wird nun die gute alte Post, von
der bekanntlich schon des "Vogelhändlers Christel" kam. Postler sind auch
maßgebliche Männer des Neubeginns. Wie der erste Nachkriegsdirigent, Anton
Reichel. Er hat sein Amt nur kurze Zeit ausgeübt. Ihm folgt der Berufskollege
Josef Groß, ein Lothringer, den die Zeitläufe an die Lippe geführt hatten. Und
auch der jetzige Dirigent, Walter Rehkemper, ist "einer von der Post".
Kaffeeplausch beim Dirigenten
Verweilen wir ein wenig bei einem Kaffeeplausch in seinem
Hause. Zugegen sind noch Willi Hegenbäumer und Franz-Josef Mertens. Alle Drei
sind mehr als fünfzig Jahre dabei: Sie lassen die bewegte Szene der frühen
Fünfziger so recht lebendig werden. So Walter Rehkemper: Einerseits war es der
Kontakt mit dem älteren Kollegen Groß. Der ermunterte ihn zum Mandolinenspiel.
Verstärkt wurde der Lockruf durch die lieblichen Klänge, die vom nahen
Förstershof in die Amtsstuben drangen. Halb zogen sie ihn, halb "sank er hin".
Doch im Gegensatz zu Goethes Fischer wird Walter Rehkemper noch immer gesehen.
Seit 1981 ist er Dirigent des Orchester, und seit 40 Jahren verwaltet er die
Finanzen des Vereins. Bei Willi Hegenbäumer war es ein Onkel, der den Jüngling
zum fröhlichen Saitenspiel verführte. Zwar ist er seit einigen Jahren nicht mehr
aktiv, doch für das große Jubiläumskonzert am 16. November hat er sich ein
"Comeback" vorgenommen. Schließlich war er auch einmal – "nicht der Rede wert,"
wie er meint, zweiter Vorsitzender. Franz-Josef Mertens erhielt den
entscheidenden Impuls aus der Nachbarschaft. Dort hatte er schon (bei Teutonias
langjährigem Stammverteidiger Friedel Wulf) das Mundharmonikaspielen erlernt,
ehe Gottfried Wulf ("ein Original") ihn zu den Mandolinen brachte. Sehr bald kam
er auch in den Vorstand. Zwanzig Jahre lang hat er in vorderer Linie mitgewirkt,
als Schriftführer und Kassierer. Auch er hat sich vom laufenden Betrieb
zurückgezogen, auch er will aber anlässlich des Jubiläums noch einmal in die
Saiten greifen. Ebenso wie Norbert Salm, von dem später noch die Rede sein wird.
Bei dieser Kaffeerunde wird kräftig im Schatz der Erinnerungen gekramt. Die
großen Konzerte im Kolpingsaal leben wieder auf. Mit den Uralkosaken, mit dem
Bielefelder Kinderchor. Die harmonische Verbindung zum MGV Concordia wird
hervorgehoben – oder zu den Lipperoder Burgschwalben. "Es gab eine Zeit," sagt
Franz-Josef Mertens, "da konnten wir mühelos den Kolpingsaal füllen." Diese Zeit
ging mit den Fünfzigern vorbei. Das Gespräch kommt auf Fritz Seiger, den
rührigen 1. Vorsitzenden, der 1964 mit 52 Jahren allzu früh verstarb. Eine
dominante Führungsperson muss er gewesen sein, Patriarch im besten Wortsinn. Als
viel beschäftigter Malermeister knüpfte er Verbindungen in alle Richtungen.
Unter anderem zu den britischen Besatzern. Und bei Ihnen fanden sich
überraschend viele Freunde der Zupfmusik. Ein ersprießliches Betätigungsfeld war
das, was sich den Lippstädter Musikanten hinter den Kasernenmauern erschloss.
Die Ära Ernst Plonke
Auf Ernst Plonke kommt die Rede, den langjährigen
Dirigenten und auch zeitweiligen Vorsitzenden. Auf ihn vor allem geht die
systematische Ausbildung des Musikernachwuchses zurück. "Josef Groß war mehr der
Praktiker, Ernst Plonke war dazu noch Pädagoge," sagt Walter Rehkemper. Als
Plonkes Stellvertreter hat er gemeinsam mit diesem 1975/1976 einen
Dirigenten-Lehrgang in Trossingen erfolgreich absolviert. Ernst Plonke war
übrigens einen ungewöhnlichen musikalischen Weg gegangen. Als Schüler hatte er
Geige gelernt. Nach dem Krieg machte er eine Zeit lang Tanzmusik mit den
"Swingboys", bevor er sich Ende der Vierziger von den Zupfinstrumenten einfangen
ließ. Nicht von ungefähr kam dann später auch seine Berufung zum
Fachbereichsleiter für Zupf- und Streichinstrumente an der städtischen
Musikschule. Weil es so charakteristisch ist für die Bewertung dieser
Musikgattung durch weite Kreise, vornehmlich der "klassischen Elite", sei dieses
kleine Histörchen erwähnt. Ernst Plonke gab es 1996 für die Patriot-Serie
"Menschen, gestern – heute" zum Besten: Sein früherer Musiklehrer bei Ostendorf,
"Fränzchen" Dietsch, hatte sich beim späteren Dirigenten Plonke einmal über
einen gezupften Beethoven beschwert. Der einstige Schüler konnte ihm aber
nachweisen, dass eben diese Wiedergabe exakt der Originalpartitur entsprochen
hatte. Und Dietsch bat um Entschuldigung.
Krengelfeste
Wenn drei Säulen des Vereins sich unterhalten, dann
bleibt natürlich auch das Geschehen am Rande der Musik nicht außen vor. Und
einen ganz wichtigen Bestandteil im Leben des Lippstädter Mandolinen- und
Gitarrenorchesters bildeten – und bilden noch – die Krengelfeste. Man darf sie
eine Besonderheit nennen, eine Vereins-Eigenart. Sie sind nach dem Krieg
entstanden, als der gewaltige Hunger nach Geselligkeit und Fröhlichkeit gestillt
werden musste. So kam der Gedanke an ein Schützenfest auf. Nur – schießen, das
kam (noch) nicht in Frage. Hätte wohl auch gar nicht ihrer harmonischen Art
entsprochen. Werfen, das lag schon näher. Doch auf was? Vereinsmitglied und
Bäckermeister Hans Borgelt hatte die Idee: Ein Krengel aus Brotteig sollte es
sein, dem mittels Keulen der Garaus zu machen wäre. Aber es gab Bedenken, so
kurz nach dem Krieg. Nach der Hungerzeit. Durfte "unser tägliches Brot" für
leichtfertiges Spiel geopfert werden? Nein, und so legte man Wert auf die
Tatsache und Feststellung, dass nur Brotreste verwertet würden. Und die, um die
Sache zu erschweren, wurden mit einem Bindfaden verbacken. Die Krengelfeste
werden alljährlich im Spätsommer veranstaltet. Lange Zeit am Kranenkasper. Seit
einigen Jahren, da sich die gastronomische Landschaft verändert hat, ist man in
soweit heimatlos geworden. Und so wurde bei den Zupfmusikanten das moderne
"Wanderkönigtum" eingeführt. Das Gespräch kommt noch einmal auf die
Vereinsgeschäfte. Auf die Zeit nach Fritz Seiger. Da gab es eine Lücke zu
füllen. Und auf dieses Wagnis ließ sich Norbert Salm ein, 1964 ein echt junger
Mann. Er war gemeinsam mit Franz-Josef Mertens dem Verein beigetreten. Es gelang
ihm, das Vereinsschiff auf Kurs und in ruhigem Fahrwasser zu halten. Wie nach
ihm Ernst Plonke, dessen Wirken als Dirigent vor allem in Erinnerung bleibt.
Die großen Konzertreisen
1974 beginnt die Ära Heinz Steinhoff. Auch er ist, wen
wundert‘s, ein "Dienstmann von der Post". Und einer der ganz frühen
Nachkriegszeit. Der noch bei Heinrich Eickmeier in die musikalische Lehre
gegangen war. "Doch das wesentliche Rüstzeug," sagt er, "haben wir uns gemeinsam
beigebracht". Als er 1991 den Vorsitz niederlegt, mit dem Ehrenvorsitz belohnt,
kann er auf eine bewegte Zeit zurück blicken. "Natürlich," räumt er ein, "gab es
Hochs und Tiefs." Auch Phasen, in denen die Existenz des Orchesters bedroht
schien. Da hat er zeit- und stellenweise Seelenmassage betreiben müssen, um das
jeweils nächste Konzert über die Bühne zu bringen. Doch letztlich – verklungen
sind die Töne nie. Er habe sich immer um ein enges Gerüst von festen Engagements
bemüht, damit auch der atmosphärische Zusammenhang nicht abriss, sagt der
Ehrenvorsitzende. So habe es langjährige Kontakte mit den Kurverwaltungen
gegeben. Inzwischen sei das schwieriger geworden, was vor allem sein Nachfolger
zu beklagen weiß: die Bäderkrise. Doch da waren ja noch die großen
Konzertreisen. Mit ebenso sichtlichem wie berechtigtem Stolz kommt Heinz
Steinhoff darauf zu sprechen. Echte Höhepunkte waren das – in den 70er und 80er
Jahren. Dänemark, Schweden, Süddeutschland. Im Bad Kohlgruber Kurkalender vom
Oktober 1983 wurde das Orchester trefflich beschrieben: "Nicht nur Mandolinen
und Gitarren, wie der Name sagt, sind im Orchester vertreten, sondern auch
Instrumente wie Cello und Kontrabass sowie Schlagzeug und Rhythmusgruppe. Diese
Besetzung ist erforderlich, um die Spezialitäten der Lippstädter besser
herauszustreichen – Balalaikamusik aus Russland und vom Balkan."
Treibhaus Musikschule
Seither hat es natürlich auch Änderungen im Zusammenspiel
gegeben. So ist nicht selten auch ein Akkordeon vertreten. Im übrigen müssen
auch 75-jährige mit der Zeit gehen. Augenblicklich gibt es Diskussionen darum,
ob denn etwa E-Gitarren "zugelassen" werden dürften. Vor allem aus dem Reservoir
des Orchesters, von den Lippstädter Musikschülern, kommen solche Anstöße. Sie
werden, letztlich, kaum ungehört bleiben können. Dennoch, den sauberen Charakter
der "Musik der leisen "Töne" werden auch sie nicht verbiegen. Da ist sich
Dirigent Walter Rehkemper, der selbst immer wieder (früher auch an der
Musikschule) geeigneten Nachwuchs ausbildet, ganz sicher. Dank seinem Wirken und
dem "Fundus" Musikschule hat es in letzter Zeit eine erhebliche Zufuhr von
jungen Spielern gegeben, von denen viele leider – zumeist studienhalber – nur
wenige Jahre bleiben. "Diese Probleme hatten wir früher nicht," sagt der
Dirigent, der nebenbei auch schon 40 Jahre die Kasse verwaltet. "Zu meiner
Anfangszeit und erst recht davor hatte aus unseren Reihen kaum einer das
Abitur." Nicht ihre Musik hat sich verändert, wohl aber die Zeit.
Generationswechsel
Und die führt 1991 zu einem echten Generationswechsel.
Als Heinz Steinhoff aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niederlegen muss,
tritt mit Birgit Rubart eine Vertreterin der Mitt-Zwanziger an die Spitze. Und
erstmals eine Frau. Auch das ein Zeichen der neuen Zeit? Birgit Rubart hat ihr –
nach vorangegangener Erfolgszeit immer schwieriges – Erbe erfolgreich genutzt.
1997 gibt sie es, aus beruflichen Gründen, an Frank Biege weiter. Der gehört der
gleichen Generation an und ist einer jener Musikschüler, die ihr Können bei
Ernst Plonke erwarben. Er spielt Gitarre. Die Gitarre, so ist bei ihm zu hören,
hat in letzter Zeit das Ursprungsinstrument Mandoline ein wenig an die Wand
gespielt. Das mag daran liegen, dass nach dem Abgang von Ernst Plonke und Walter
Rehkemper an der Musikschule dieses Fach nicht mehr gelehrt wird. Dennoch – um
den Fortbestand seines Orchester hat der Vorsitzende keine Sorge. Zweiunddreißig
Aktive zählen sie zur Zeit – mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren. Davon
träumt ein jeder Gesangsverein. Auch um die Akzeptanz der Zupfmusik ist ihm
nicht bange. Ihm – und allen anderen – ist sehr bewusst, dass sie nicht Musik
für Millionen machen. Zu ihrem Bewusstsein gehört aber auch Selbstbewusstsein.
Zu Recht sind sie stolz darauf, dass sie sich im Bereich der seriösen Musik, am
Rande von Barock, Klassik und Romantik, eine signifikante Nische geschaffen und
bewahrt haben. Weit entfernt von dem, was unter dem Deckmantel der Volksmusik
Tag für Tag vom Bildschirm auf uns niederrieselt.
Dass diese Akzeptanz vor allem in Lippstadt noch lange erhalten bleibt, dafür bietet nicht zuletzt Eine im Orchester die Gewähr: Birgit Buxelbröer. De facto ist sie seit Jahren "Mädchen für alles". De jure versieht sie die Ämter der Geschäfts- und Schriftführerin. Zugleich ist sie Konzertmeisterin. Im Bedarfsfall vertritt sie den Dirigenten. Allerdings, Ambitionen auf dessen Nachfolge hat sie nicht.
Ansonsten sind sie allesamt sehr ambitioniert und engagiert, die für unser Lippstädter Pizzikato sorgen.
Wie lautet doch ihr spezieller Gruß?
"Gut Klang"
Gut Klang soll Weile haben.